Eine Schule sucht ihren Namen
Jahrelang hieß das Förderzentrum Unterhaching Erwin Lesch Schule bis der Name 2013 offiziell abgelegt wurde. Erwin-Lesch war ein Verfechter einer neuen Hilfsschule und eines neuen Typus „Hilfsschullehrer“ im Dritten Reich. Die Hilfsschule und die Hilfsschullehrer erhielten damals die neue Aufgabe der Selektion von Schülerinnen und Schülern.
„Aus den Publikationen von Erwin Lesch wird deutlich, dass er keineswegs als Mitläufer oder Minderbelasteter der Nazi-Bewegung eingestuft werden kann. Er hat die Behindertenpolitik der Nazis mitgetragen und dabei geholfen, deren Inhalte öffentlich zu vertreten und an die Hilfsschulkräfte weiterzugeben. Insofern kann kein Zweifel daran bestehen, dass Erwin Lesch die Nazi-Behindertenpolitik mit all ihren Konsequenzen in Richtung Zwangssterilisation und Euthanasie mitgetragen hat“ (Prof. Heimlich, 2014).
Nach 2013 hieß die Schule jahrelang: „Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung Unterhaching, ein sperriger Name, den nicht nur unsere Schülerinnen und Schüler schlecht aussprechen konnten.
2020 entschieden wir uns als Schulfamilie einen neuen Namen für uns zu suchen. Aus dem alten Schulnamen ergaben sich verschiedenen Fragestellungen: die Schule hieß jahrelang nach einem Täter, wäre es nicht konsequent die Schule deshalb nach einem Opfer zu benennen? Was bedeutet es für eine Schule nach einem Opfer zu heißen? Zum Einem wäre ein solcher Name Teil des öffentlichen Gedenkens an eine für Deutschland wesentliche Zeit und ist auch durchaus üblich als Schulname (Anne Frank, Geschwister Scholl). Andererseits wäre dies für uns auch eine Möglichkeit der Profilierung und ein besonderer Anlass sich mit einem wichtigen, aber schwierigen Thema auseinanderzusetzen.
Um diese Fragen für uns zu beantworten haben unsere Berufsschulstufenschülerinnen und Schüler im Wintersemester 2021/22 gemeinsam mit Studierenden des Lehrstuhls für Pädagogik bei geistiger Behinderung ein inklusives Seminar unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Zentel, dem Lehrstuhlinhaber, besucht. An dieser Stelle herzlichen Dank an Herrn Prof. Zentel und die Studierenden, die uns sowohl impulsgebend wie beratend und inhaltlich in unserem Namensgebungsprozess begleitet und unterstützt haben.
Das Seminar fand teils in der Schule und teils in der Universität statt. Inhaltlich ging es um ein behutsames Hinführen zu den Themen: Geschichtliches Bewusstsein wecken, wie konnte es so weit kommen? Was genau ist geschehen? Auseinandersetzung mit Opfern, Ableiten von Erkenntnissen.
Bald stellten wir uns die Frage, ob Thea Diem eine mögliche Namensgeberin wäre:
Thea Diem: 1908 – 1941
Theodolinde (genannt Thea) war Epileptikerin und wurde mit 33 Jahren auf Grund ihrer Krankheit von den Nazis ermordet. Thea kam aus dem Umfeld der Schule – war, kurz bevor sie in Österreich ermordet wurde, in Haar und ist in München aufgewachsen. Es gibt reichhaltige Erinnerungen an sie durch ihre Nichte, Lisa Wanninger, die uns wiederholt besucht hat. So gibt es nicht nur die Erinnerung an ein schreckliches Ende, sondern auch an ein lebenswertes Leben mit vielen Anekdoten.
Lisa Wanninger, die Nichte von Thea Diem
Im Sommer 2022 war es dann soweit, die gesamte Schulfamilie (Kollegium, Elternbeirat und die Schülerinnen und Schüler) entschieden sich einstimmig für den neuen Schulnamen Thea Diem. Am 28.10.2022 konnte unser großer Festakt unter Mitwirkung des Landrates Herr Göbel und der Regierungsschuldirektorin Frau Schefold zu unserem neuen Namen stattfinden.
Ein neuer Name für unsere Schule (in leichter Sprache)
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/lebensgeschichten-thea-diem-1.4037408